Atemberaubende Aufnahmen der Sonnenkorona veröffentlicht: Erstmals seit 80 Jahren Fortschritte bei der Koronabeobachtung

Astronomen haben ein neues optisches System entwickelt, das Unschärfen aus der Atmosphäre herausfiltern und die feine Struktur der Sonnenkorona offenbaren kann. Nun wurden erste spektakuläre Aufnahmen vorgestellt.

Koronaler Regen entsteht, wenn Plasma sich verdichtet und durch die Gravitation wieder zur Sonne fällt.
Koronaler Regen entsteht, wenn Plasma sich verdichtet und durch die Gravitation wieder zur Sonne fällt. Bild: NJIT/NSO/AURA/NSF/Schmidt et al. 2025
Lisa Seyde
Lisa Seyde Meteored Deutschland 6 min

Die Sonnenkorona, die mit bloßem Auge lediglich während totalen Sonnenfinsternissen zu sehen ist, fasziniert die Wissenschaft seit Langem. Doch bisher hatten Turbulenzen in der Erdatmosphäre zu Bildunschärfen geführt und die Beobachtung der Korona erschwert. Nun jedoch ist es Forschern gelungen, diese Unschärfe zu beseitigen.

Die Sonnenkorona ist die äußere Atmosphäre der Sonne. Sie besteht aus extrem dünnem, heißem Plasma und ist nur bei einer totalen Sonnenfinsternis oder mit speziellen Instrumenten sichtbar.

Wissenschaftler des National Solar Observatory (NSO) der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) und des New Jersey Institute of Technology haben hochauflösende Aufnahmen der Sonnenkorona gemacht, indem sie adaptive Optik einsetzten. Die bahnbrechenden Ergebnisse wurden kürzlich in Nature Astronomy veröffentlicht.

Das Team entwickelte dafür ein spezielles koronales adaptives Optiksystem, das die bislang klarsten Bilder und Videos der Feinstruktur der Korona liefert. Die Wissenschaftler erhoffen sich, damit weitere Untersuchungen zur Erwärmung der Korona, zu Sonneneruptionen sowie dem Weltraumwetter durchführen zu können.

Bislang detaillierteste Bilder der Korona

Das 1,6 Meter große adaptive Optiksystem, mit dem die neuen Aufnahmen möglich werden, wurde Cona getauft. Es wurde am Goode-Sonnenteleskop im Big Bear Solar Observatory in Kalifornien installiert und filtert dort die Unschärfe heraus, die durch Luftturbulenzen in der Troposphäre verursacht wird.

„Die Turbulenzen in der Luft verschlechtern die Bilder von Objekten im Weltraum, wie beispielsweise unserer Sonne, die wir durch unsere Teleskope sehen, erheblich. Aber wir können das korrigieren.“

– Dirk Schmidt, Wissenschaftler für adaptive Optik bei NSO, Entwicklungsleiter

In einem Film dokumentierte das Forschungsteam eine sich schnell umstrukturierende Sonnenprotuberanz, bei der feine und turbulente Strömungen im Inneren sichtbar werden. Solche Protuberanzen erscheinen als leuchtende Bögen oder Schleifen, die sich von der Sonnenoberfläche aus in den Weltraum erstrecken.

Momentaufnahme aus einem Film zu einer Protuberanz mit koronalem Regen auf der rechten Seite.
Momentaufnahme aus einem Film zu einer Protuberanz mit koronalem Regen auf der rechten Seite. Bild: NJIT/NSO/AURA/NSF/Schmidt et al. 2025

Ein Einzelbild aus einem vierminütigen Zeitrafferfilm zeigt diese Protuberanz über der Sonne. Die Oberfläche wirkt flauschig, da sie von Spicules bedeckt ist – das sind kurzlebige Plasma-Jets, deren Funktionsweise noch nicht vollständig geklärt ist. Auf der rechten Bildseite ist sogenannter koronaler Regen zu sehen, der in die Sonnenatmosphäre zurückfällt.

Erfasst wurde dabei Licht im Wasserstoff-Alpha-Bereich, das vom Sonnenplasma ausgestrahlt wird. Die künstliche Farbgebung orientiert sich an diesem Licht, wobei dunklere Farben eine höhere Helligkeit repräsentieren.

Ein anderer Film zeigt, wie ein filigraner Plasmastrom rasch entsteht und ebenso schnell wieder zusammenbricht. Die detaillierten Aufnahmen zeigen erstmalig neue Strukturen, deren Bedeutung den Forschern aber noch unklar ist.

Koronaregen eingefangen

Den Forschern gelang es ebenfalls, eine Form von Koronaregen zu filmen. Bei diesem Phänomen verdichtet sich abkühlendes Plasma wieder und fällt zurück zur Sonnenoberfläche.

„Regentropfen in der Sonnenkorona können weniger als 20 Kilometer breit sein. Diese Erkenntnisse liefern neue, wertvolle Beobachtungsdaten, die für die Überprüfung von Computermodellen zu Prozessen in der Korona von entscheidender Bedeutung sind.“

– Thomas Schad, NSO-Astronom

Koronarer Regen wird durch die Schwerkraft nach unten gezogen, genau wie Regentropfen auf der Erde. Weil das Plasma elektrisch geladen ist und den Magnetfeldlinien folgt, bildet es riesige Schleifen, statt gerade nach unten zu fallen.

Die Aufnahmen wurden mittels Wasserstoff-Alpha-Licht erstellt, bei denen die helleren Töne in Wirklichkeit dunkler und die dunkleren heller sind.
Die Aufnahmen wurden mittels Wasserstoff-Alpha-Licht erstellt, bei denen die helleren Töne in Wirklichkeit dunkler und die dunkleren heller sind. Bild: NJIT/NSO/AURA/NSF/Schmidt et al. 2025

Ein Bild aus einem 23-minütigen Zeitraffervideo zählt zu den bisher schärfsten Aufnahmen von koronalen Regenfällen. Die Analyse ergab, dass manche dieser Strukturen weniger als 20 Kilometer breit sind.

Koronabeobachtung revolutioniert

Adaptive Optik wird seit Anfang der 2000er Jahre in großen Sonnenteleskopen eingesetzt, um Aufnahmen der Sonne in theoretisch maximaler Auflösung zu machen. Allerdings mit einer Ausnahme: Zwar konnte die Sonnenoberfläche damit hochauflösend beobachtet werden, die Korona jedoch nicht. Hier erreichte die Auflösung lediglich eine Größenordnung von 1000 Kilometern oder weniger, was einem technischen Stand von vor 80 Jahren entspricht.

„Das neue adaptive Optiksystem für die Korona schließt diese jahrzehntelange Lücke und liefert Bilder von Korona-Strukturen mit einer Auflösung von 63 Kilometern – der theoretischen Grenze des 1,6-Meter-Goode-Sonnenteleskops.“

– Thomas Rimmele, Cheftechnologe des NSO

Das Team weiß nun, wie es die durch die Erdatmosphäre bedingte Auflösungsgrenze überwinden kann. Um noch mehr Details in der Sonnenatmosphäre erkennen zu können, will es die Technologie auch auf das Daniel-K.-Inouye-Sonnenteleskop übertragen, das in Maui, Hawaii, gebaut wird.

„Diese bahnbrechende Technologie, die wahrscheinlich in Observatorien auf der ganzen Welt zum Einsatz kommen wird, wird die bodengebundene Sonnenastronomie revolutionieren“, sagt Philip R. Goode, Forschungsprofessor für Physik am NJIT-CSTR und ehemaliger Direktor des BBSO, Mitautor der Studie. „Mit der Inbetriebnahme der koronalen adaptiven Optik beginnt eine neue Ära der Sonnenphysik, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten viele weitere Entdeckungen verspricht.“

Quellenhinweis:

Schmidt, D., Schad, T. A., Yurchyshyn, V., et al. (2025): Observations of fine coronal structures with high-order solar adaptive optics. Nature Astronomy.