Revolution in der Kosmologie: Frühe Galaxiengruppen mit James-Webb-Weltraumteleskop entdeckt

Die neuesten Beobachtungsdaten des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) erlauben einen spektakulären Blick in die Entstehungsgeschichte des Universums. Demnach könnten die ersten Strukturen wesentlich früher entstanden sein als bisher angenommen.

Farbkompositbild der massivsten Gruppe im COSMOS-Web-Feld. Das JWST-Bild ist mit der erweiterten Röntgenemission (rosa) überlagert.
Farbkompositbild der massivsten Gruppe im COSMOS-Web-Feld. Das JWST-Bild ist mit der erweiterten Röntgenemission (rosa) überlagert. Bild: ESA/Webb, NASA & CSA, G. Gpzamoasm, K. Virolainen, A. Koekemoer, M. Franco
Lisa Seyde
Lisa Seyde Meteored Deutschland 5 min

Mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) ist es Astronomen gelungen, besonders frühe Strukturen des Universums ausfindig zu machen. Die Forscher haben mit einem hochempfindlichen Filterverfahren zahlreiche Galaxiengruppen identifiziert, deren Ursprung bis zu zwölf Milliarden Jahre zurückreicht – viel früher, als bisher angenommen.

Es wird geschätzt, dass der Urknall vor 13,787 +/–0,02 Milliarden Jahren stattgefunden hat, was darum als das Alter des Universums angenommen wird.

Die Entdeckung stellt die gängige Vorstellung von der zeitlichen Entwicklung kosmischer Strukturen grundlegend infrage. „Wir können zeigen, dass bereits kurz nach dem Urknall großräumige Strukturen entstanden sind, die mit heutigen Galaxiengruppen vergleichbar sind“, so Prof. Dr. Matteo Maturi von der Universität Heidelberg, der die internationale Forschungsgruppe geleitet hat, zu der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 13 Ländern gehören. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.

Weit entfernte Galaxien untersucht

Die Untersuchungen basieren auf Daten aus dem COSMOS-Web-Programm, einem der bislang größten Beobachtungsprojekte mit dem JWST. Es kartiert einen Himmelsausschnitt mit hoher Auflösung in verschiedenen Wellenlängenbereichen. Der Fokus liegt auf weit entfernten Galaxien, deren Licht Milliarden Jahre lang unterwegs war, bevor es vom JWST erfasst werden konnte – ein direkter Blick in die frühe kosmische Geschichte.

Herausfordernd bei der Analyse derartiger Daten war, schwache und weit entfernte Strukturen überhaupt zu erkennen.

Das Heidelberger Institut für Theoretische Astrophysik hatte eine spezielle Filtermethode entwickelt, die auf dem Algorithmus AMICO (Adaptive Matched Identifier of Clustered Objects) basiert, der speziell zur Identifikation von Galaxiengruppen entwickelt wurde. In der aktuellen Studie wurde dieser Algorithmus auf nie dagewesene Tiefen getestet – mit Erfolg.

Insgesamt entdeckte das Team 1678 Galaxiengruppen im untersuchten Himmelsfeld. Rund 670 davon wurden mit einer besonders hohen Reinheit von 90 Prozent erfasst, was ein Maß für die Verlässlichkeit der Ergebnisse darstellt. Etwa 850 der Gruppen konnten zudem durch spektroskopische Daten bestätigt werden, was ihre Position und Entfernung im Universum eindeutig festlegt.

Vier Beispiele für Entdeckungen im Gruppenkatalog bei unterschiedlichen Rotverschiebungen. Die Kreise zeigen die Mitgliedsgalaxien an, farbkodiert mit der Wahrscheinlichkeit der Mitgliedschaft und mit ihrer Rotverschiebung neben jedem Kreis.
Vier Beispiele für Entdeckungen im Gruppenkatalog bei unterschiedlichen Rotverschiebungen. Die Kreise zeigen die Mitgliedsgalaxien an, farbkodiert mit der Wahrscheinlichkeit der Mitgliedschaft und mit ihrer Rotverschiebung neben jedem Kreis. Bild: Toni et al., 2025

Dieser Katalog sei der bislang „tiefste“ seiner Art, erklärt Maturi. Er biete uns einen einzigartigen Einblick in die Frühphase der Strukturbildung und stelle eine entscheidende Grundlage für zukünftige Studien dar. Besonders spannend sei die Entdeckung von Galaxiengruppen bei Rotverschiebungen größer als z = 2, was einer Zeit entspricht, als das Universum weniger als drei Milliarden Jahre alt war.

Galaxiengruppen sind eine zentrale Komponente des kosmischen Netzes, jene großräumige Struktur, in der sich Materie im Universum verteilt. Sie gelten als Zwischenelement zwischen isolierten Galaxien und den gewaltigen Galaxienhaufen.

Das Forschungsteam plant nun weiterführende Analysen, um die physikalischen Eigenschaften der neu entdeckten Strukturen zu untersuchen, beispielsweise die Masse, chemische Zusammensetzung und Sternentstehungsraten innerhalb der Gruppen.

Die Arbeit beweist, welche Möglichkeiten moderne Teleskope wie das James Webb Space Telescope eröffnen: Mit der hohen Empfindlichkeit und Auflösung revolutioniert es unser Verständnis des jungen Universums und der Kosmologie. Die Daten liefern sowohl neue Erkenntnisse zur Entstehung früher Galaxiengruppen als auch eine wichtige Grundlage für künftige Modelle zur kosmologischen Strukturentwicklung.

Quellenhinweis:

Toni, G., Gozaliasl, G., Maturi, M. et al. (2025): The COSMOS-Web deep galaxy group catalog up to z = 3.7. Astronomy & Astrophysics.