Wir sehen immer dieselbe Seite des Mondes: Das Geheimnis seiner verborgenen Seite kommt endlich ans Licht
Die neuen Proben, die von der Chang'e-6-Mission zurückgebracht wurden, zeigen, dass die Rückseite des Mondes viel kälter ist als die sichtbare Seite, was ein neues Kapitel in der Erforschung des Mondes aufschlägt.

Wir sehen immer dieselbe silberne Seite des Mondes am Himmel. Aber von der anderen Hälfte – der, die uns nie zugewandt ist – sind gerade neue Daten aufgetaucht, die unser bisheriges Wissen revidieren. Wissenschaftler der Peking-Universität und des University College London haben bestätigt, dass das Innere der Mondrückseite deutlich kälter ist als die sichtbare Hemisphäre.
Die Entdeckung, die in Nature Geoscience veröffentlicht wurde, basiert auf Gesteinsfragmenten, die 2023 von der chinesischen Sonde Chang'e-6 im Aitken-Becken – einer der ältesten und tiefsten Regionen des Mondes – gesammelt wurden. Diese Gesteine, die sich vor etwa 2,8 Milliarden Jahren verfestigt haben, weisen einen Temperaturunterschied von über 100 °C zwischen beiden Seiten auf.
Laut Professor Yang Li von der Peking-Universität ist „der Mond ein Körper mit zwei sehr unterschiedlichen Gesichtern, sowohl an seiner Oberfläche als auch in seinem Inneren“. Eine Aussage, die verdeutlicht, dass die Asymmetrie des Mondes weit über das hinausgeht, was wir von der Erde aus sehen können.
Die andere Seite des Mondes und ihr uraltes Geheimnis
Als die Forscher mit der Analyse der von der Chang'e-6-Mission zurückgebrachten Proben begannen, überprüften sie zunächst deren Alter. Die größte Überraschung kam jedoch, als sie die Bildungstemperatur der Mineralien maßen – etwa 1.100 °C. Im Vergleich zu den dunklen Lavameeren der sichtbaren Seite, die sich bei höheren Temperaturen gebildet hatten, war der thermische Unterschied ebenso auffällig wie rätselhaft.
Amazing imagery from the Moon overnight from @CNSA_en.
— Andy Saunders – Apollo Remastered (@AndySaunders_1) June 4, 2024
A panoramic shot taken from Chang'e 6
The lander, sample arm extended—captured by the mini-rover (see its tracks to the right).
And THAT video of the ascent stage heading to orbit with the samples!
(Stills under processing) pic.twitter.com/dnKC1StgRw
Um die Ergebnisse zu überprüfen, verglich das Team die Missionsdaten mit Satellitenbeobachtungen ähnlicher Gebiete auf der gegenüberliegenden Hemisphäre. Die Schlussfolgerung war eindeutig: Der Mantel auf der Rückseite ist zwischen 70 °C und 100 °C kühler. Keine frühere Messung hatte dies so direkt bestätigt.
Diese Erkenntnis zeigt, dass der thermische Kontrast nicht nur oberflächlich ist. Es handelt sich um einen Unterschied, der bis zum Kern des Mondes reicht und erklären könnte, warum die sichtbare Seite mehr Basaltmeere und vulkanische Aktivität aufweist, während die verborgene Seite bergig und ruhig bleibt.
KREEP: Die fehlende „Thermodecke“ auf der Rückseite des Mondes
Der Schlüssel zu diesem Unterschied scheint in einer Gruppe von Elementen zu liegen, die als KREEP – kurz für Kalium (K), Phosphor (P) und Seltenerdelemente (REE) sowie Uran und Thorium – bekannt sind und bei ihrem Zerfall Wärme freisetzen. Auf der der Erde zugewandten Seite wirkt dieser „radioaktive Cocktail“ wie eine innere Decke, die den Mond seit Millionen von Jahren warm hält.

Allerdings enthalten Gesteine aus der entfernten Hemisphäre fast keine Spuren von KREEP. Diese Abwesenheit erklärt die niedrigere Innentemperatur, die dickere Kruste und das fast vollständige Fehlen von Lavameeren. Ohne diese Wärmequelle kühlte das Innere schneller ab und hinterließ eine rauere, weniger vulkanische Landschaft.
Das Rätsel besteht nun darin, warum sich das gesamte KREEP-Material auf der Seite konzentriert hat, die wir sehen können. Eine führende Theorie besagt, dass ein gewaltiger Einschlag in der fernen Vergangenheit das an diesen Elementen reiche Magma zur nahen Seite gedrückt hat. Eine andere Theorie geht davon aus, dass der Mond ursprünglich aus der Verschmelzung zweier unterschiedlicher Körper entstanden ist, was seine duale Natur erklären würde.
Das Rätsel der Mondrückseite bleibt weiterhin ungelöst
Obwohl die Studie eine lang anhaltende thermische Asymmetrie bestätigt, bleibt die letztendliche Ursache dieses Phänomens unbekannt. Klar ist jedoch, dass der Mond keine einheitliche Welt ist, sondern eine Landschaft, in der die Spuren seiner Vergangenheit ungleichmäßig erstarrt sind.
For the first time in history, we have samples from the Moon’s far side on Earth. The Chang’e 6 capsule successfully completed its double re-entry from lunar orbit and is now home. pic.twitter.com/1UblFp88xf
— Daniel Marín (@Eurekablog) June 25, 2024
Diese Entdeckung ebnet den Weg für zukünftige Missionen, die tiefer in das Innere des Mondes vordringen sollen – und vielleicht klären können, ob der thermische Kontrast auf interne Prozesse oder den Einfluss der Schwerkraft der Erde zurückzuführen ist. Vorerst bleibt die Rückseite des Mondes ein natürliches Labor, um zu verstehen, wie ein Planet im Laufe der Zeit abkühlt.
Jedes Mal, wenn wir zum Mond blicken, wissen wir, dass sich hinter seiner hellen Oberfläche eine gefrorene Hemisphäre verbirgt – ein stiller Zeuge einer Geschichte, die die Menschheit gerade erst zu entdecken beginnt.