So erzeugen Schwarze Löcher ihre mächtigen Jets: Astronomen erklären, was die heftigen Energieausbrüche verursacht

Jets sind gewaltige Ausbrüche von Energie und Materie an den Rotationspolen von beispielsweise Protosternen oder Schwarzen Löchern. Frankfurter Astronomen haben nun herausgefunden, dass die starken Magnetfelder für die Jets mit verantwortlich sind.

Ein Bild des Hubble-Weltraumteleskops von der riesigen Galaxie M87 zeigt einen 3000 Lichtjahre langen Plasmastrahl, der aus dem zentralen Schwarzen Loch der Galaxie mit einer Masse von 6,5 Milliarden Sonnenmassen austritt.
Ein Bild des Hubble-Weltraumteleskops von der riesigen Galaxie M87 zeigt einen 3000 Lichtjahre langen Plasmastrahl, der aus dem zentralen Schwarzen Loch der Galaxie mit einer Masse von 6,5 Milliarden Sonnenmassen austritt. Bild: NASA/ESA/A. Lessing & E. Baltz (Stanford University), M. Shara (AMNH), J. DePasquale (STScI)
Lisa Seyde
Lisa Seyde Meteored Deutschland 5 min

Schon im Jahr 1918 beobachtete der US-Astronom Heber Curtis einen geheimnisvollen Strahl, der aus dem Zentrum einer fernen Galaxie austrat. Erst ein Jahrhundert später wurde klar, was er tatsächlich gesehen hatte: den energiereichen Jet des supermassereichen Schwarzen Lochs M87*.

Das Schwarze Loch M87* ist sechseinhalb Milliarden Mal schwerer als die Sonne und befindet sich im Zentrum der Riesengalaxie Messier 87 im Sternbild Jungfrau.

Heute gilt M87* als eines der bestuntersuchten Schwarzen Löcher überhaupt. Es war das erste, dessen Schatten die Event Horizon Telescope Collaboration im Jahr 2019 bildlich festhalten konnte, ein Meilenstein der modernen Astrophysik. Doch wie die gewaltigen Strahlen aus Energie und Materie über tausende Lichtjahre hinweg ins All geschleudert werden konnten, wurde bisher nur ansatzweise geklärt.

Ein Forscherteam der Goethe-Universität Frankfurt unter Leitung von Prof. Luciano Rezzolla hat darum nun einen numerischen Code entwickelt, der beschreibt, wie Schwarze Löcher einen Teil ihrer Rotationsenergie in die extrem schnellen Jets umwandeln. Der neue Code – namens Frankfurt particle-in-cell code for black hole spacetimes (FPIC) – bildet die physikalischen Vorgänge ab, die sich in unmittelbarer Umgebung der Himmelskörper abspielen.

Wie entstehen die Jets?

Bisher war der Blandford-Znajek-Mechanismus die gängige Erklärung für solche Energieausbrüche. Demnach entstehen die Jets durch starke Magnetfelder, die Energie aus der Rotation des Schwarzen Lochs ziehen und sie in Strahlung und Plasma umsetzen. Doch die Simulationen zeigen, dass das nur teilweise zutrifft.

„Unsere Ergebnisse eröffnen die faszinierende Möglichkeit, dass der Blandford-Znajek-Mechanismus nicht der einzige astrophysikalische Prozess ist, der Rotationsenergie aus einem Schwarzen Loch extrahieren kann. Auch die magnetische Rekonnexion trägt dazu bei.“

– Dr. Filippo Camilloni, Institut für Theoretische Physik, Goethe-Universität Frankfurt

Bei der magnetischen Rekonnexion wiederum brechen Magnetfeldlinien auf und verbinden sich neu. Dabei wird gespeicherte magnetische Energie explosionsartig in Wärme, Strahlung und Materieauswürfe umgesetzt.

In der Äquatorebene des Schwarzen Lochs zeigten die Berechnungen intensive Rekonnexionsaktivität, die eine Kette von Plasmoiden entstehen ließ – das sind kompakte Plasmablasen, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Das wiederum erzeugt Teilchen mit negativer Energie, welche die Jets und andere extrem energiereiche Erscheinungen antreiben.

Oben: Auf der Äquatorialebene des Schwarzen Lochs entstehen Plasmoide. Auch entlang der Drehachse erreichen die Teilchen relativistische Geschwindigkeiten und bilden schließlich den Jet (links: Dichte, rechts: Energie, grau: Magnetfeldlinien). Unten: . Raumzeitdiagramme der Anzahldichte entlang der Äquatorialebene für Schwarze Löcher mit unterschiedlichem Spin.
Oben: Auf der Äquatorialebene des Schwarzen Lochs entstehen Plasmoide. Auch entlang der Drehachse erreichen die Teilchen relativistische Geschwindigkeiten und bilden schließlich den Jet (links: Dichte, rechts: Energie, grau: Magnetfeldlinien). Unten: . Raumzeitdiagramme der Anzahldichte entlang der Äquatorialebene für Schwarze Löcher mit unterschiedlichem Spin. Bild: Meringolo, Camilloni & Rezzolla, 2025

„Wir können mit unserer Arbeit zeigen, wie Energie aus rotierenden Schwarzen Löchern extrahiert und in Jets kanalisiert wird“, erklärt Rezzolla. „So lassen sich die enormen Leuchtkräfte aktiver Galaxienkerne und die Beschleunigung von Teilchen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit besser verstehen.“

Aufwendige Berechnungen

Millionen von Rechenstunden auf dem Frankfurter Supercomputer Goethe und dem Hochleistungsrechner Hawk in Stuttgart waren nötig, um die Bewegung geladener Teilchen und die Entwicklung elektromagnetischer Felder in der stark gekrümmten Raumzeit korrekt zu simulieren.

„Die Simulation solcher Prozesse ist entscheidend für das Verständnis der komplexen Dynamik relativistischer Plasmen in gekrümmten Raumzeiten in der Nähe kompakter Objekte.“

– Dr. Claudio Meringolo, Institut für Theoretische Physik, Goethe-Universität Frankfurt, Hauptentwickler des Codes

Dabei mussten die Forscher sowohl Maxwells Gleichungen als auch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie gleichzeitig lösen, was vor allem rechnerisch eine enorme Herausforderung darstellte.

Neben der technischen Leistung sind die Resultate für die Forschenden vor allem auch ein wissenschaftlicher Triumph. „Es ist unglaublich spannend, mit ausgefeilten numerischen Codes nachvollziehen zu können, was in der Nähe eines Schwarzen Lochs geschieht“, sagt Rezzolla. „Doch noch lohnender ist es, die Ergebnisse mit strenger Mathematik zu erklären – so wie wir es in unserer Arbeit getan haben.“

Quellenhinweis:

Meringolo, S., Camilloni, F., & Rezzolla, L. (2025): Electromagnetic Energy Extraction from Kerr Black Holes: Ab-Initio Calculations. Astrophysical Journal Letters.