Neue Solarstrom-Quelle: Holt sich die Menschheit bald Energie direkt aus dem Weltall?
Bis zu 80 Prozent der 2050 benötigten Energie könnten durch Solaranlagen im Weltraum produziert werden. So lautet das Ergebnis einer neuen britischen Studie. Viele Fragen sind offen, nicht zuletzt jene, wie die Energie auf die Erde kommen soll.

Die Idee der Gewinnung von nahezu unbegrenzter Sonnenenergie aus dem Weltraum ist keine Idee oder Erfindung unseres aktuellen Millenniums. Wie der österreichische STANDARD dazu berichtete, widmete sich der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov schon 1941 in seiner Kurzgeschichte Reason der Idee.
In der Geschichte werden diverse Planeten über eine Solarstation im All per Mikrowellenstrahl mit Energie versorgt. Die Idee griff dann im Jahr 1968 wissenschaftlich und kommerziell der tschechisch-amerikanische Ingenieur und Weltraumwissenschaftler Peter Glaser auf. Mit seinen Planungen bekam er im Jahr 1973 ein Patent. Kurz danach stieg die NASA in das Projekt ein und veranlasste weitere Forschungsarbeiten.
Brillante Idee - schwierige Umsetzung
Seither flossen viele Hundert Millionen Euro in Machbarkeitsstudien, aber auch in konkrete Experimente. Der Hauptvorteil von Solaranlagen im Weltall liegt auf der Hand: im Gegensatz zu Wetterkapriolen auf der Erde und dem Tag und Nacht-Rhythmus ist die Sonne im All nahezu durchgehend verfügbar. Dadurch wird in der Theorie ein stabiler, hoher Solarertrag erzielt.
Hinzukommt, dass die Strahlung aufgrund der fehlenden Atmosphäre deutlich stärker ist als auf der Erde.
Auch die Nachteile liegen auf der Hand. Neben rein technischen Hürden, wie etwa der Langlebigkeit der Solarpaneele im All, sind die Errichtungskosten enorm. Die gesammelte Energie mittels Mikrowellenstrahlung auf die Erde zu schicken und dort in Strom umzuwandeln ist physikalisch gesehen sehr wohl möglich. Die regulatorische und sicherheitstechnische Umsetzung der Strom-Transmission ist aber völlig offen.
Die NASA hat in einer eigenen Studie Anfang 2024 Bilanz zum Stand der Dinge gezogen. Hintergrund war die Beurteilung, ob Solarenergie aus dem All im Jahr 2050 tatsächlich eine ernstzunehmende Alternative zu erneuerbaren Energien auf der Erde sein könnte.
Das Ergebnis dieser Betrachtung bei allerdings ernüchternd, denn trotz vieler Fortschritte kam die NASA je nach verwendetem System zunächst auf Produktionskosten pro kWh erzeugtem Strom zwischen 0,61 und 1,59 Dollar.
Unter Einbeziehung sinkender Kosten für Raketenstart und gleichzeitig längerer Lebensdauer könnte dieser Wert allerdings nach der Studie auf 4 bis 8 Cent je Kilowattstunde gedrückt werden. Allerdings stufen Experten dieses Szenario als eher unrealistisch ein.
Zum Vergleich: Im Jahr 2050 werden für Wind- und Solarenergie zwei Cent pro kWh als Kosten angegeben. Selbst unter der Einbeziehung mit Speicher Technologie steigt dieser Wert auf maximal drei Cent pro kWh für Solarenergie. Damit wäre Solarkraft aus dem All immer noch zwei- bis viermal so teuer wie herkömmliche PV-Erzeugung auf der Erde.
Europäische Hoffnung
Neue Hoffnung liefert nun eine Studie des King’s College London, die kürzlich im Fachjournal Joule publiziert wurde. Das Ergebnis überrascht nicht zuletzt deswegen, weil es die NASA-Publikation aus dem Vorjahr als Basis für Berechnungen von europäischen Strombedarf hernimmt.
Wenn es gelänge, das technisch ungleich komplexere, aber auch deutlich effizientere System „Innovative Heliostat Swarm“ umzusetzen, würde sich das Ganze bereits rentieren, selbst wenn die Produktionskosten pro kWh sechs- bis neunmal so hoch wie bei herkömmlichen erneuerbaren Energieträgern auf der Erde wären, rechnet die Studie vor.
Grund dafür ist die Tatsache, dass die höheren Kosten durch verschiedene Vorteile wettgemacht werden könnten. Durch die kontinuierliche Energieerzeugung falle das Problem der wetter-, tageszeiten- und saisonbedingten Schwankungen weg. Dies wäre sowohl hinsichtlich der Planbarkeit als auch der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern inklusive stark schwankender Preise ein enormes Plus.
Laut den Berechnungen der britischen Forschenden rund um Studienautor Wei He könnten bei den oben angeführten Produktionskosten die Gesamtkosten des europäischen Energiesystems um sieben bis 15 Prozent gesenkt werden. Der Bedarf an teuren Kurzzeitspeichern wie Batterien könne um fast 80 Prozent gesenkt werden. Auch der Netzbetrieb würde sich durch die vereinfachte Infrastruktur günstiger gestalten.
Dahinter liegt die Annahme, dass ein Großteil der Wind- und PV-Anlagen auf der Erde durch die Energieproduktion im All ersetzt werden könnten. Der Vorteil läge in einer zentralisierten und zuverlässigen Gleichstrom-Langstreckenübertragung, die deutlich effizienter sei als die dezentrale Energieproduktion über verstreute Solar- und PV-Anlagen, die man im Netz zusammenführen müsste.
Die Rechnung n auf einem System mit Heliostaten. Mit autonom agierenden Reflektoren lenkt man das Sonnenlicht zentral auf einen Konzentrator, der damit nicht nur die höchstmögliche Ausbeute der Solarzellen erzielt, sondern auch zu 99,7 Prozent des Jahres Strom erzeugt.
Enormes Potenzial
Grundlage für die effiziente Solargewinnung im All sind extrem dünne und flexible Solarzellen. Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass Gewicht und Stauraum von großer Bedeutung sind, wenn man ein Solarkraftwerk mit Raketen in eine Umlaufbahn bringen will.
Wie kommt Energie zur Erde?
Um den harschen Bedingungen wie starker Strahlung und extremen Temperaturschwankungen widerstehen zu können, basieren die Solarzellen für den Weltraum nicht auf Silizium, sondern auf Perowskit.
erklärte der Physiker Martin Kaltenbrunner von der JKU Linz gegenüber dem STANDARD.
Wie bereits vom Science-Fiction-Autor Asimov erträumt, könnte die erzeugte Solarenergie mit Mikrowellentechnologie auf die Erde geschickt werden.
Dazu werden etablierte Funkfrequenzen wie 2,45 und 5,8 GHz für die angedachten Systeme ins Auge gefasst, die bereits für WLAN oder Satellitenkommunikation verwendet werden.
Fazit
Viele heute von uns bereits eingesetzten Technologien waren vor Jahrzehnten Teile von Science Fiction-Romanen. Unter Betrachtung dieser Tatsache sollte man die Gewinnung von Solarenergie aus dem All nicht als kaum umsetzbaren Utopien sehen, sondern die Entwicklungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte sorgfältig beobachten, denn hinter der britischen Studie liegen ja bereits vorhandene Erkenntnisse der Wissenschaft unter Verwendung von bereits vorhandenen Technologien.