Trinkwasser weltweit in Gefahr: Forscher warnen, dass Gezeitenflüsse zunehmend versalzen

Die weltweite Trinkwasserversorgung steht vor einer neuen Herausforderung: Flüsse, die unter dem Einfluss von Gezeiten stehen, sind zunehmend von Versalzung bedroht. Diese Flüsse sind für viele Regionen der Erde eine wichtige Quelle für Süßwasser. Eine neue Studie warnt nun erstmals eindringlich vor den Folgen.

Laut einer aktuellen Studie sind Tideflüsse, wie hier die Elbe, weltweit von Versalzung bedroht, was zu großen wirtschaftlichen und Umweltproblemen führt.
Laut einer aktuellen Studie sind Tideflüsse, wie hier die Elbe, weltweit von Versalzung bedroht, was zu großen wirtschaftlichen und Umweltproblemen führt. Bild: Bundesanstalt für Wasserbau (BAW)
Lisa Seyde
Lisa Seyde Meteored Deutschland 5 min

Bereits zwei Drittel des globalen Trinkwassers stammt aus Oberflächengewässern, darunter viele tidebeeinflusste Flüsse wie der Rhein, der Mississippi oder der Chao Phraya in Thailand. Die Gewässer sind grundlegend für Trinkwasserversorgung, Landwirtschaft und industrielle Nutzung, doch der steigende Salzgehalt bedroht ihre Nutzbarkeit, und zwar weltweit.

„Die Versalzung von Wasserressourcen in Gezeitenflüssen ist ein globales Problem, das bisher nur in standortspezifischen Studien untersucht wurde.“

– Ming Li, Experte für Küsten- und Ästuardynamik an der University of Maryland, Erstautor der Studie

Hauptverursacher dieser Entwicklung ist der Klimawandel. Er führt zu einem beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels, längeren Trockenphasen mit extrem niedrigen Flussabflüssen und gleichzeitig zu stärkeren Extremwetterereignissen, die durch Starkregen punktuell große Mengen gelöster Salze aus den Einzugsgebieten in die Flüsse spülen.

Salzbelastung durch den Menschen

Ming Li ist Experte für Küsten- und Ästuardynamik an der University of Maryland und Erstautor der internationalen Studie, die unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) koordiniert wurde. Mit seiner internationalen Forschungsgruppe hat Li erstmals 170 Studien zusammengetragen und ausgewertet. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Environmental Science & Technology Letters veröffentlicht.

Demnach verstärken nicht nur klimatische Faktoren, sondern auch menschliche Eingriffe die Problematik, so das Fazit der Studie. Die Vertiefung von Fahrrinnen für die Schifffahrt, übermäßiger Einsatz von Streusalz und beschleunigte Erosions- und Verwitterungsprozesse durch den Menschen tragen zusätzlich zur Salzbelastung bei.

Weltweite Versalzung festgestellt

Bei der Untersuchung kam heraus, dass die Versalzung inzwischen alle Kontinente und Klimazonen betrifft. Sowohl in trockenen als auch in gemäßigten Regionen werden immer mehr Flüsse salzig, was sich gravierend auf Trinkwasserqualität, Umwelt und Infrastruktur auswirkt.

„Auch in Deutschland, das nicht zu den typischen Trockengebieten zählt, sind in den letzten Jahren Dürreperioden aufgetreten, bei denen der Süßwasserabfluss in einigen Flüssen extrem niedrige Werte angenommen hat.“

– Hans Burchard, IOW-Experte für ozeanographische Prozesse in Ästuaren und Küstenmeeren, Co-Autor der Studie

Der Rhein verzeichnete im Sommer 2022 mit 673 m³/s den niedrigsten je gemessenen Abfluss. Infolgedessen drang das Salzwasser in den Niederlanden über 10 Kilometer weiter in den Fluss ein als im langjährigen Mittel.

„Immer waren langanhaltende Dürreperioden in den Fluss-Einzugsgebieten der Grund für diese aktuellen Salzintrusionen“, erklärt Hans Burchard, IOW-Experte für ozeanographische Prozesse in Ästuaren und Küstenmeeren und Co-Autor der Studie. Verstärkt werde der Effekt durch die zunehmende Schiffstiefe, die über Jahrzehnte zu einer kontinuierlichen Vertiefung von Flussmündungen geführt hat.

Hans Burchard
Hans Burchard, IOW-Experte für ozeanographische Prozesse in Ästuaren. Bild: Sophie Burchard

Die Studie zeigt zudem, dass die Versalzung in vielen Flüssen auch schädliche Nebeneffekte hat. Dazu zählen etwa Sauerstoffmangel in den Gewässern, freigesetzte Schadstoffe, wie beispielsweise Schwermetalle, und eine abnehmende Artenvielfalt, da Süßwasserarten häufige Salzeinträge nur schwer überleben.

Flüsse sollen besser überwacht werden

Die Autoren und Autorinnen fordern daher, dass rasch gehandelt wird. Sie empfehlen eine bessere Überwachung der Salzionen im Flusswasser, denn nur so würden sich Herkunft, Transportwege und Verbleib des Salzes zuverlässig bestimmen lassen.

Außerdem müsse in neue Modelle investiert werden, die den Transport einzelner Salzionen simulieren und Risiken für Trinkwasser- und Industrieinfrastruktur frühzeitig feststellen können. Um angemessene Strategien zum Schutz der Wasserressourcen entwickeln zu können, sollten lokale Interessengruppen in die Entscheidungen eingebunden werden.

Die Versalzung tidebeeinflusster Flüsse ist kein Zukunftsszenario mehr, sondern bereits Realität – die Folgen betreffen viele Regionen der Welt gleichermaßen. Die Studie macht deutlich, dass Flüsse als lebenswichtige Süßwasserquelle geschützt werden und in den Fokus der internationalen Umwelt- und Wasserpolitik rücken müssen.

Quellenhinweis:

Li, M., Najjar, R. G., Kaushal, S., Mejia, A., Chant, R. J., Ralston, D. K., Burchard, H., Hadjimichael, A., Lassiter, A., & Wang, X. (2025): The Emerging Global Threat of Salt Contamination of Water Supplies in Tidal Rivers. Environmental Science & Technology Letters.