Die Physik des Kaffeebrühens: Forscher entwickeln den perfekten Brühvorgang mit weniger Bohnen

Angesichts steigender Rohkaffeepreise und des zunehmenden Drucks auf Anbaugebiete durch den Klimawandel werden effizientere Methoden der Kaffeezubereitung immer wichtiger. Forscher haben sich nun auf die Suche nach neuen Methoden begeben.

Die Forscher fragten sich, wie das Gießen von Wasser über Kaffeepulver verbessert werden kann.
Die Forscher fragten sich, wie das Gießen von Wasser über Kaffeepulver verbessert werden kann. Bild: Claro Cafe/Pixabay
Lisa Seyde
Lisa Seyde Meteored Deutschland 5 min

Wie lässt sich eine aromatische Tasse Filterkaffee mit weniger Kaffeepulver zubereiten? Ein US-Forschungsteam hat sich dieser scheinbar alltäglichen Frage gewidmet. Die Physiker gingen dabei über die herkömmlichen Zubereitungswege hinaus und entwickelten neue Verfahren, die sowohl den Geschmack optimieren als auch natürliche Strömungsphänomene berücksichtigen.

„Es gibt viele Forschungsarbeiten zur Strömungsmechanik und viele Forschungsarbeiten zu Partikeln für sich genommen. Vielleicht ist dies eine der ersten Studien, in der wir beginnen, diese Dinge zusammenzubringen.“
– Arnold Mathijssen, Assistenzprofessor für Physik an der University of Pennsylvania

Das Team um Arnold Mathijssen, Physikprofessor an der University of Pennsylvania, untersuchte mithilfe von Hochgeschwindigkeitskameras, Laserlicht und präziser Messtechnik die Dynamik des Brühvorgangs im Detail.

Mehr Geschmack aus weniger Bohnen

Die Forscher fragten sich, wie das Gießen von Wasser über Kaffeepulver verbessert werden kann, um mehr Geschmack aus weniger Bohnen zu erhalten. Das Forschungsteam nutzte dabei klassische Werkzeuge der Spezialitätenkaffee-Szene – Schwanenhalskessel, Waage, Kaffeemühle – und ergänzte sie durch wissenschaftliches Equipment.

„Wir haben nach Wegen gesucht, wie wir weniger [oder] so wenig Kaffee wie möglich verwenden und einfach die Fluiddynamik des Gießens aus einem Schwanenhalskessel nutzen können, um die Extraktion aus dem Kaffeesatz zu erhöhen.“
– Ernest Park, Co-Autor und Doktor an der University of Pennsylvania

Problematisch war, dass die Vorgänge innerhalb des Kaffeebetts wegen des undurchsichtigen Kaffeepulvers schwer zu beobachten sind. Um den Brühvorgang anderweitig zu simulieren, setzten die Forscher darum transparente Kieselgelpartikel in einem Glaskegel ein. Eine Laserscheibe und eine Hochgeschwindigkeitskamera machten sichtbar, wie das Wasser beim Aufprall auf das Partikelbett kleinste Miniaturlawinen auslöst, was eine zentrale Entdeckung für die Verbesserung der Extraktion darstellte.

Weil Kaffeepulver undurchsichtig ist, wurden bei den Laborversuchen transparente Kieselgelpartikel verwendet.
Weil Kaffeepulver undurchsichtig ist, wurden bei den Laborversuchen transparente Kieselgelpartikel verwendet. Bild: Claro Cafe/Pixabay

Wasser, das aus höherer Position gegossen wird, verstärkt demnach den Lawineneffekt. Entscheidend dabei sei die Kontrolle des Wasserstrahls, sagt Ernest Park, Co-Autor und promovierter Forscher in Mathijssens Labor. „Wenn man nur einen normalen Wasserkessel verwenden würde, ist es etwas schwierig zu kontrollieren, wohin der Strom fließt. Und wenn der Strom nicht laminar genug ist, wird das Kaffeebett nicht so gut aufgewirbelt“, so Park.

„Beim Aufbrühen einer Tasse erhält man den ganzen Kaffeegeschmack und all die guten Stoffe aus dem Kaffeesatz durch den Kontakt zwischen dem Kaffeesatz und dem Wasser“, erläutert Margot Young, Mitautorin der Studie, die Bedeutung der Wasser-Kaffee-Interaktion.

Die Idee ist also, den Kontakt zwischen dem Wasser und dem Kaffeesatz beim Übergießen insgesamt zu erhöhen.

Doch es gibt auch Grenzen: Wird das Wasser aus zu großer Höhe gegossen, zerfällt der Strahl in Tröpfchen und transportiert Luft in das Partikelbett, wodurch wiederum die Extraktion verringert wird. Wichtig sei daher, dass sich Gießhöhe, Strahldicke und Fließgeschwindigkeit im Gleichgewicht befinden.

Aroma-Fazit

Die Arbeit des Teams stützt sich zudem auf umfangreiche Versuchsreihen mit echtem Kaffee. Temperatur, Extraktionszeit, Mahlgrad und Gewicht wurden präzise dokumentiert und geschmacklich ausgewertet. Mit dem Ergebnis: Eine gleichmäßige, gut gesteuerte Wasserdynamik bei mittlerer Höhe sorgt für optimalen Geschmack mit weniger Pulver.

Abgesehen vom Brühverhalten liefern die beobachteten Strömungsmuster auch wertvolle Erkenntnisse zu geophysikalischen Prozessen: „Diese Art von fließendem Verhalten hilft uns zu verstehen, wie Wasser Gestein unter Wasserfällen oder hinter Dämmen erodiert“, sagt Young. Selbst Abwasserbehandlungs- und Filtersysteme würden eine ähnliche Dynamik aufweisen, ergänzt Mathijssen.

Die Studie ist einerseits eine Hommage an die Kunst der Kaffeezubereitung und sie zeigt andererseits, dass Alltagsfragen mit Grundlagenforschung geklärt werden können. „Man kann klein anfangen, wie mit Kaffee“, schlussfolgert Mathijssen, „und am Ende Mechanismen aufdecken, die auf Umwelt- oder Industrieskala von Bedeutung sind.“

Quellenhinweis:

Park, E., Young, M., & Mathijssen, A. J. T. M. (2025): Pour-over coffee: Mixing by a water jet impinging on a granular bed with avalanche dynamics featured. Physics of Fluids 37, 043332.