Ultraverarbeitete Lebensmittel: Fünf Dinge, die man über industriell gefertigtes Essen wissen sollte

Gelegentlich eine Tiefkühlpizza oder ein Schokoriegel zwischendurch schaden niemandem, doch in manchen Ländern überschreitet der Konsum ultraverarbeiteter Lebensmittel kritische Werte: In den USA etwa stammen rund 60 Prozent der Kalorienzufuhr Erwachsener aus hochverarbeiteten Lebensmitteln, bei Kindern sogar fast 70 Prozent.

Ultraverarbeitete Lebensmittel sind Nahrungsmittel, deren Zutaten zahlreiche Verarbeitungsschritte durchlaufen.
Ultraverarbeitete Lebensmittel sind Nahrungsmittel, deren Zutaten zahlreiche Verarbeitungsschritte durchlaufen. Bild: Pixabay
Lisa Seyde
Lisa Seyde Meteored Deutschland 6 min

Kaum ein Ernährungsthema ist derzeit so medienpräsent und gleichzeitig umstritten wie ultraverarbeitete Lebensmittel. Statistiken verdeutlichen, dass es sich dabei schon längst nicht mehr um Ausnahmeerscheinungen handelt. Unser gesamtes modernes Ernährungssystem ist von industriell hergestellten Produkten geprägt, die oft mit Zucker, Salz, gesättigten Fetten und künstlichen Zusatzstoffen angereichert sind. Der gesundheitliche Preis dafür ist hoch.

Ultraverarbeitete Lebensmittel (Ultra-processed Food, UPF) sind stark verarbeitete Produkte, die meist viele künstliche Zusatzstoffe enthalten. Ihre Herstellung umfasst mehrere Verarbeitungsschritte, wobei die einst natürlichen Zutaten stark verändert oder ersetzt werden.

„Es geht nicht nur darum, was diesen Lebensmitteln zugesetzt wird – sondern auch darum, was ihnen fehlt“, erklärt Dalia Perelman, Ernährungswissenschaftlerin am Stanford Prevention Research Center. „Sie enthalten weniger Ballaststoffe, Mikronährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe.“

Perelman ist ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der klinischen Ernährung. Gegenüber Stanford Insights benennt Perelman fünf Punkte, die man als Konsument oder Konsumentin über UPF wissen sollte.

1. Prinzipiell nichts Neues

Die Geschichte ultraverarbeiteter Lebensmittel beginnt nicht erst mit der Tiefkühlpizza. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden künstliche Süßstoffe wie Saccharin eingesetzt.

Auch die Einführung von gehärteten Fetten um 1900 durch den Chemiker Wilhelm Normann gilt als Meilenstein, da sie die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängerten und die Kosten senkten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschleunigte sich die Entwicklung. Techniken wie Gefriertrocknung, chemische Konservierung und Verpackungsmethoden, ursprünglich für militärische Zwecke gedacht, wurden bald auch für die Zivilbevölkerung nutzbar. Dadurch wurde der Grundstein für die industrielle Verarbeitung von Lebensmitteln gelegt.

2. Was zählt als ultraverarbeitet?

Ob ein Produkt ultraverarbeitet ist, lässt sich oft schon an der Zutatenliste erkennen. „Wenn da Dinge stehen, die Sie nicht in Ihrer eigenen Küche hätten, ist das ein gutes Zeichen dafür“, so Perelman. Emulgatoren, Farbstoffe, Geschmacksverstärker oder Verdickungsmittel sind typisch für solche Produkte. Auch ein hoher Gehalt an Zucker, Salz und Fett ist ein zentrales Merkmal.

Typische Produkte enthalten oft viel Zucker, Salz oder Fett sowie Emulgatoren, Farbstoffen und Aromen.
Typische Produkte enthalten oft viel Zucker, Salz oder Fett sowie Emulgatoren, Farbstoffen und Aromen. Bild: creazionpublicidad/Pixabay

Die Klassifikation von UPF erfolgt zumeist über das sogenannte NOVA-System, entwickelt vom brasilianischen Epidemiologen Carlos Monteiro. Es unterteilt Lebensmittel in vier Gruppen: von unverarbeitet, z. B. Obst, Gemüse, Eier, bis hin zu ultraverarbeitet, z. B. Softdrinks, Süßigkeiten, Fertigpizza.

3. Teils gravierende Krankheiten

Die gesundheitlichen Folgen sind alarmierend. Eine Analyse von 45 Metastudien mit fast 10 Millionen Teilnehmenden aus dem Jahr 2024 zeigt, dass der Verzehr ultraverarbeiteter Lebensmittel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 50 % erhöht, für Angststörungen um 48 % und für Fettleibigkeit um 55 %.

Selbst das Risiko für Depressionen und frühen Tod steigt signifikant.

Zudem schädigen die Produkte die Darmflora. „Die meisten sind leicht verdaulich und gelangen schnell ins Blut“, warnt Perelman. Die Mikroben in unserem Darm aber bräuchten Ballaststoffe, da sie sonst verhungern oder beginnen, die schützende Schleimhaut zu zersetzen. Auch Emulgatoren wie Carboxymethylcellulose stehen im Verdacht, die Darmbarriere zu schwächen und Entzündungen zu fördern.

4. Gezielt verlockend

Ein weiteres Problem ist, dass die Lebensmittel so entwickelt und vermarktet werden, dass ihnen schwer zu widerstehen ist. „Sie werden auf den sogenannten ‚Bliss Point‘ abgestimmt – die ideale Mischung aus Zucker, Salz und Fett, um das Geschmackserlebnis zu maximieren“, erläutert Perelman. „Wenn ein Werbespot sagt, ‚Man kann nicht nur einen essen‘ – das stimmt.“

Ultraverarbeitete Lebensmittel werden bewusst so designt, dass man ihnen kaum widerstehen kann.
Ultraverarbeitete Lebensmittel werden bewusst so designt, dass man ihnen kaum widerstehen kann. Bild: Greg Reese/Pixabay

Ein Experiment aus dem Jahr 2019 zeigte, dass Teilnehmer einer UPF-Diät täglich rund 500 Kalorien mehr aufnahmen als jene, die unverarbeitete Nahrung aßen. Die UPF-Probanden nahm in nur zwei Wochen rund ein Kilogramm zu.

5. Nicht alle sind schlecht

Doch nicht jedes stark verarbeitete Produkt ist per se gesundheitsschädlich. „Es ist alles eine Frage der Definition“, so Perelman. Beispielsweise lässt das NOVA-System die Nährstoffdichte oft außer Acht, auch wenn einige angereicherte Produkte gerade für ärmere Regionen wichtig seien.

Zum Beispiel gelten Cheerios laut NOVA als ultraverarbeitet, enthalten aber Vollkornhafer, wenig Zucker und viele angereicherte Vitamine und Mineralstoffe wie Kalzium oder Folsäure, wodurch sie nährstoffreicher sind als viele andere Frühstücksflocken.

Die Lösung liegt in einem pragmatischen Umgang. „Man muss nicht alles perfekt machen – aber bewusst“, rät Perelman. Wer sich fragt, ob es einen weniger verarbeiteten Snack gibt, entscheidet sich oft bereits besser.

Hauptsächlich sollte man sich von frischen Lebensmitteln, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Nüssen und Samen ernähren. Oder wie es der Ernährungsexperte Michael Pollan einmal auf den Punkt brachte: „Iss echtes Essen. Nicht zu viel. Vor allem Pflanzen.“

Quellenhinweis:

Stanford Report: Five things to know about ultra-processed food.